von Mathias Austermann, Dortmund
nach Arbeiten von Dieter Wolf (Leiter des Museums in Butzbach)
aus dessen Hand auch die unteren Zeichnungen stammen

lange Jahre waren sich Historiker und Archäologen sicher: die aus den Urkunden bekannte Stammburg der Arnsburger Ministerialen und nachmaligen Herren von Münzenberg könne nur im Bereich des heutigen Klosters Arnsburg gelegen haben. Doch dann mussten Anfang der achtziger Jahre diese Vorstellungen gründlich revidiert werden: Dicht am Südende des nahen Hainfeldes; über einem hier nach drei Seiten etwa 10 m abfallenden Steilhang der Wetter und damit einige hundert Meter vom heutigen Kloster entfernt, entdeckte D. Baatz während einer archäologischen Befliegung die Überreste dieser für die Geschichte der Wetterau so hochbedeutenden Burganlage des hohen Mittelalters.

die recht bald (ab 1984) begonnenen archäologischen Untersuchungen erbrachten reiche Funde, und damit auch die Gewissheit, dass sich hier etwa sieben Jahrhunderte, von der Mitte des 10. Jahrhunderts bis zum dreißigjährigen Krieg (1632) die Burganlage befunden hat. Die Geschichte der hier errichteten Burganlage und ihre Nachfolgenutzung lässt sich anhand der archäologischen und historischen Untersuchungen der Jahre nach 1984 nun relativ genau rekonstruieren. Die ergrabenen Grundmauern der wichtigsten Gebäude konnten anschließend in niedriger Höhe wieder aufgemauert werden (rechtes Foto: P.Kynast), eine Erläuterungstafel informiert heute den Besucher über die Bauabfolge der einzelnen Gebäude.


Zur Geschichte der Burganlage

in spätottonischer Zeit entstand auf dem Hainfeld ein eventuell schon mit königlichen Dienstleuten besetzter, befestigter Hof. Dieser wurde um oder kurz nach 1000 zu einer Turmburg ausgebaut (Phase 2). Bedauerlicherweise ist sehr wenig über die Bewohner der Burg aus den spärlichen schriftlichen Quellen der frühen Zeit bekannt. Zumindest seit der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts scheint diese Burg aber Wohnstätte der sich nach ihr nennenden Dienstmannenfamilie von Arnsburg gewesen zu sein (Phase 3).

Die Arnsburg,
Rekonstruktion
der Phase 2
vor 1050 (?)

Skizze: D.Wolf
Die Arnsburg,
Rekonstruktion
der Phase 3
vor 1100 (?)

Skizze: D.Wolf

unter den salischen Kaisern besetzten die Ministerialen von Arnsburg herausragende Stellungen am Hof des Königs, der Ministeriale Kuno war Erzieher Heinrichs IV. Die Erbtochter Kunos, Gertrud heiratete vor 1093 Konrad I. von Hagen (Burg Hayn in Dreieichenhain südlich von Frankfurt), den Erben des zweiten wichtigen Ministerialengeschlechtes der Wetterau. Im 12. Jahrhundert berichten die Quellen von der Anwesenheit der Arnsburger Konrad I. u. II. von Hagen am Königshof, über die Arnsburg selbst erfahren wir dagegen nichts. Auch in einer von Kaiser Friedrich I. ausgestellten Bestätigung über die Gründung des Klosters Alteburg (bei Arnsburg) durch Konrad II (1152) wird die Burg nicht explizit erwähnt. Dennoch kann aus dieser Urkunde ein Treffen zahlreicher weltlicher und geistlicher Größen auf der Arnsburg zur Vorbereitung der anstehenden Königswahl geschlossen werden. Auch wenn das (leider) eine Hypothese bleiben muss: Die Arnsburg war um 1150 zweifelsohne aufgrund ihrer nun architektonisch beeindruckenden Gesamtanlage (Phase 5) so gut ausgestattet, dass sie den angemessenen Rahmen für ein "Gipfeltreffen" der führenden Politiker des Reiches bieten könnte.

Die Arnsburg,
Rekonstruktion
der Phase 5
vor 1150 (?)

Skizze: D.Wolf
Die entfestigte
Arnsburg mit
dem Baukloster,
Rekonstruktion
der Phase 6
um 1200

Skizze: D.Wolf

nach der Mitte des 12. Jahrhunderts verlegte der Sohn Konrads II., Kuno von Hagen- Arnsburg, seinen Wohnsitz von der Arnsburg in die von ihm errichtete, modernere Münzenberg. In einer feierlichen Versammlung, die vermutlich 1174 bereits in der Burg Münzenberg stattfand, übertrug Kuno von Münzenberg die Arnsburg den Eberbacher Zisterziensern. Der erste Konvent scheint aber nicht lange dort gestanden zu haben und kehrte nach Eberbach zurück.


Das "Baukloster" der Zisterzienser und der Jahrmarkt des späten Mittelalters

spätestens 1197 entstand aber in der Arnsburg ein ordentliches "Baukloster" (Phase 6), das als Provisorium für die Zeit bis zur Fertigstellung der wesentlich großzügigeren Klosteranlage im nahen Wettertal dienen sollte. Die archäologischen Untersuchungen lassen erkennen, dass dazu die ehemalige Burg Arnsburg "entfestigt" wurde: Türme, Mauern und Gräben wurden beseitigt. Das alte Hauptwohnhaus der Burg sowie die Burgkapelle konnten weiter genutzt werden, zusätzlich erhielt das provisorische Kloster wohl einen Kreuzgang. Erst nach etwa vier Jahrzehnten ist es dann auch weitgehend aufgegeben worden, als der Umzug des Konvents zur nun geweihten Klosterkirche und den fertiggestellten Konvents- und Wirtschaftsgebäuden möglich wurde (wohl in den 40er Jahren des 13. Jahrhunderts).

Kloster Arnsburg
Rekonstruktion
der gesamten
Klosteranlage
um 1500

Skizze: D.Wolf
Geschichte und Kultur in Wetterau und Vogelsberg

Band 8

7,- EUR

das Kloster im Wettertal prosperierte, die Zahl der Mönche, ihr Grundbesitz und die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts verliehenen Ablässe nahmen zu. An den Tagen, an denen ein Ablass gewährt wurde, scheint es wegen des damit verbundenen Menschenandrangs im Kloster im Wettertal schon bald zu Unzuträglichkeiten gekommen zu sein. 1284 wurden sie deshalb zum "Großen Arnsburger Ablass" und damit an einem einzigen Termin, dem Sonntag vor Christi Himmelfahrt zusammengefasst. Der sich parallel dazu entwickelnde Jahrmarkt wird nun auf das nahe Hainfeld verlegt, das sich mit seiner ehemaligen Burgkapelle für die Jahrmarktsnutzung ja geradezu anbot. Kurz vor 1400 konnte auf ihren Grundmauern aus Spenden der Pilger sogar eine neue Kapelle errichtet werden. Erstmalig hören wir 1441 dann aber von Bestrebungen zur Aufhebung des Marktes und 1482 wird er in den Januar verlegt, doch ein Nachlassen seiner Beliebtheit im 15. Jahrhundert ist aus den archivalischen Quellen nicht zu erkennen. In der Reformationszeit verliert der "Ablass-Markt" dann aber allmählich an Bedeutung. Nach ihrer mehrfachen Verwüstung wird 1623 die Kapelle auf dem Hainfeld aufgegeben, das Gnadenbild in die Klosterkirche überführt und spätestens jetzt der Jahrmarktsbetrieb eingestellt.

Zu den Ausgrabungen der Arnsburg

Zum Plan der Arnsburg von 1893

Sämtliche Zeichnungen und Bilder aus "Geschichte und Kultur in Wetterau und Vogelsberg, Band 8", 2001, Dr. Klaus Peter Decker, Leiter der Fürstlichen Archive und der Schlossbibliothek in Büdingen und Dr. Dieter Wolf M.A., Leiter des Museums und des Stadtarchivs in Butzbach

Text dieser Seite: Mathias Austermann, Zeichnungen: Dieter Wolf, Foto: P.Kynast