von Mathias Austermann, Dortmund

Die Gebäude

die jeweils mehrmonatigen Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen unter der Leitung von Landeskonservator Dr. F.- R. Herrmann in den Jahren 1984 und 1985 konzentrierten sich auf den zentralen Bereich der aufgelassenen Burg und ließen die Rekonstruktion der Besiedlungsentwicklung zu. Die Besiedlung der Burgstelle vor dem Bau der eigentlichen Burg lässt sich nur über einige Pfostengruben und Gruben nachweisen, die sicher in die Zeit vor den Bau der ersten Befestigung zu datieren sind; möglicherweise lässt sich für diese erste Phase der mittelalterlichen Inbesitznahme ein mit einer Palisade befestigter herrschaftlicher Hof rekonstruieren.

mit dem Bau des großen Wohnturmes und der eng den Turmbau umschließenden Wehrmauer beginnt die eigentliche Geschichte der Burganlage; zu dieser ältesten Burganlage gehört auch die erste steinerne Kapelle (Phase 2). Die innerhalb des nachmaligen "Palas" erhaltenen Pfostengruben gehören zu einem hölzernen Vorgängerbau dieses Gebäudes. In der ersten Ausbauphase der Burg wird der quadratische Wohnturm mit zusätzlichen Befestigungseinrichtungen versehen, in die auch die kleine Saalkirche mit einbezogen wird, ein Burggraben trennt nun die herrschaftlichen Bauten von der Vorburg. Das große Pfostenhaus (der "Palas") wird nun zum Teil in Stein neu errichtet (Phase 3).


Die wichtigsten Befunde im vorläufigen Übersichtsplan
(Stand 1989)

Blick von Osten auf die restaurierten Befunde der spätmittelalterlichen Kapelle, im Vordergrund die Fundamente des polygonalen Chores, im Hintergrund die Fundamente des Wohnturmes

die zweite Ausbauphase der Burg wird durch die deutliche Verbreiterung des Burgareals charakterisiert, die Vorburg wird nun durch einen neuen Befestigungsgraben sowie eine neue Befestigungsmauer eingefasst; die Kapelle zu einer Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor erweitert und ein Zangentor auf der Nordseite der Befestigung errichtet (Phase 4). Der ausgedehnteste und wohl auch repräsentativste Ausbau der Burganlage ist zugleich auch die letzte Phase der Burgbesiedlung. Den älteren "Palas" ersetzt nun ein massives Steingebäude, im Westen der Kapelle wird ein langgestrecktes Gebäude angebaut und in der ehemaligen "Vorburg" ein runder Bergfried errichtet (Phase 5).

etwa seit den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts beginnt die Nutzung der Burganlage durch die Zisterzienser (Phase 6). Die Mönche errichten unter Benutzung einiger Teile der Burganlage (Kirche, Palas) die Klosterklausur. Als Neubauten für die nun notwendige Klausur sind in dieser relativ kurzen Zeitspanne langgestreckten Gebäude nordöstlich der Kirche und ein Kreuzgang entstanden. Nach der Übersiedlung der Mönche in das Tal der Wetter dienen die zentralen Gebäude der Anlage der Versorgung der Kapelle. Um 1400 wurde ihr romanischer Chor und wohl auch das Schiff in gotischen Formen grundlegend neu errichtet. Etwa zu dieser Zeit entstand als Annex an die Kirche auch ein Gewölbekeller und auch für den "Palas" lässt sich eine Weiternutzung mindestens bis in das späte Mittelalter nachweisen.



Die bronzene Emailscheibenfibel mit dem charakteristischen Kreuz wird aus dem 10. Jahrhundert stammen.

Geflügelte Pfeilspitze aus dem Burggraben des 11. Jahrhunderts.

Sorgfältig gearbeiteter eiserner Nietsporn mit geraden Schenkeln aus dem 11. Jahrhundert.

Die Funde

die Auswertung der Funde auf dem Hainfeld ist nahezu abgeschlossen, etwa 36.000 Keramikfragmente sowie etwa 5.000 Funde aus anderen Materialien konnten katalogisiert werden. Ein kurzer Überblick soll hier einen bescheidenen Eindruck ermöglichen:
Die Funde aus der Burgenzeit (also etwa von 950 - 1150) dokumentieren einen überwiegend bescheidenen Lebensstil, nur wenige Fundstücke sind als "Luxusgüter" zu bezeichnen. Neben zwei sicher in die Burgenzeit zu datierenden Münzen ist auf einen Schreibgriffel, eine bearbeitete Geweihspitze (als Hinweis auf die herrschaftliche Jagd) und einige Fragmente rheinischer Reliefbandamphoren hinzuweisen. Letztere gehören in das späte 10. Jahrhundert, die großen Transportgefäße mit ihren charakteristischen Reliefbandauflagen werden als Weintransportbehälter auf die Arnsburg gelangt sein.


Ein eisernes Klappmesser mit kreisaugenverziertem Knochengriff könnte als Rasiermesser von den Mönchen genutzt worden sein.

Würfel im Kloster? Ihre Fundlage im Bereich der Baulichkeiten des Klosters lässt darauf schließen, dass diese drei Würfel von den Zisterziensern genutzt wurden.

Die Mönche bauten Öfen in ihr Kloster ein. Die beiden spitz zulaufenden Kacheln gehören zu dem ersten Kachelofen auf dem Hainfeld um 1200.

von der Bewaffnung der Bewohner haben sich vor allem die Pfeilspitzen erhalten, zur Ausstattung der Reiter zählen natürlich auch die Pferde, sie lassen sich über einige Wellenrandhufeisen und die Beschläge des Pferdegeschirrs fassen. Gleich sechs Nietsporen fanden sich auf der Arnsburg, sie gehören in die Zeit, in der die Burganlage ihre größte militärische Stärke erreichte. Eine bronzene Sporenriemenschnalle dokumentiert darüber hinaus die besonders wertvolle Ausstattung eines der Reiter. Zur persönlichen Ausstattung eines Burgbewohners dürfte auch die einzige Fibel der Grabung gehört haben. Die einfache bronzene Emailscheibenfibel gehört zu den "Massenprodukten" des 10. Jahrhunderts. Die landwirtschaftliche Produktion, also die wirtschaftliche Basis nahezu jeder Siedlungseinheit des Mittelalters, ist über einige Werkzeugfunde nachzuweisen und von der Kleidungsherstellung zeugen einige Spinnwirtel und Knochennadeln.

in die relativ kurze Zeitspanne des Bauklosters ließen sich nur wenige der Arnsburger Fundstücke einordnen, zumal sich die benutzte Keramik naturgemäß nur wenig von der der vorrangehenden Burgenzeit unterschied. Mit einiger Wahrscheinlichkeit zur Ausstattung der Klosterbewohner gehören aber zwei Rasiermesser, die beispielsweise für die Tonsur der Mönche benötigt wurden. Dass im Laufe des klösterlichen Alltags auch die Zerstreuung im Spiel gesucht wurde, zeigt der Würfel aus der Latrine des westlichen Klosteranbaus, in der sich auch die verkippten Reste eines Kachelofens fanden. Der Kachelofen ist eines der Beispiele dafür, dass die Mönche sich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend einrichteten. Eine größere Menge Eisennägel im Bereich des im 14. Jahrhundert nahezu vollständig verfüllten ehemaligen Burggrabens sind wohl als Reste eines Jahrmarktstandes anzusehen, hier fanden sich eine ganze Reihe Funde, die zu den Überresten der Wallfahrt, vor allem aber des Jahrmarktes auf dem Hainfeld gehören müssen.


Ein Überblick zu den Funden des 14. Jahrhunderts: Die Mehrzahl der Funde dokumentieren ein Teil des Angebotes in den Resten einfacher Jahrmarktsbuden.

Beispiele für spätmittelalterlichen Schmuck: Fingerringe, Broschen aus Messing und Bronze, aber auch ein silberner Schuhanhänger fanden sich bei Bestattungen des Hainfeldes.

Eine ganze Reihe Maultrommeln gehörten zum Angebot eines Händlers auf dem Jahrmarkt des 14. Jahrhunderts: Hier ein Exemplar mit einer Schlagmarke.

der Bügel einer einfachen Klappwaage wird wohl einem Jahrmarkthändler gehört haben und eine ganze Reihe Fundstücke liegen in derartig hohen Stückzahlen vor, dass man ihren Verkauf auf dem Hainfeld annehmen muss: beispielsweise Nadeln, Würfel, Maultrommeln, Nähnadeln und weitere Kurzwaren. Die Kartierung der Werkstattreste zeigt zudem, dass ein Teil der Waren auf dem Hainfeld hergestellt wurde. Einige Fundstücke könnten allerdings nicht nur für den Verkauf bestimmt, sondern auch der Unterhaltung der Jahrmarktsbesucher gedient haben. Zu nennen sind hier vor allem die in ungewöhnlich großer Zahl geborgenen Maultrommeln, Murmeln und Würfel.

Zur Geschichte der Arnsburg auf dem Hainfeld

Zum Plan der Arnsburg von 1893

Literatur: Die Ausgrabungen auf der Arnsburg befinden sich derzeit in der Auswertung, die Publikation der Ergebnisse ist in einer Veröffentlichung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (LfDH) vorgesehen. Für die Zusammenfassung der historischen Quellen konnte ich dankenswerterweise auf die umfangreichen, teilweise noch unpublizierten Vorarbeiten von Dr. D. Wolf zurückgreifen.
Einen detaillierten Überblick zur Geschichte der Arnsburg in salischer und staufischer Zeit bietet der Überblick von D. Wolf in: K.-P. Decker/D. Wolf, Terra Imperii – Wetterau und Vogelsberg - Stätten einer Königslandschaft aus staufischer Zeit. Geschichte und Kultur in Wetterau und Vogelsberg 8 (Friedberg 2001) S. 11-21.
Bislang publizierte Vorberichte zu den archäologischen Untersuchungen: F.-R. Herrmann, Lich- Arnsburg, Kreis Gießen. Römisches Kastell - Burgen - Klöster. Arch. Denkm. Hessen 6 (Wiesbaden 21989); F.- R. Herrmann/G. Seitz, Von der Vorzeit zum Mittelalter. Archäologische Ausflüge in der Wetterau. Arch. Denkm. Hessen 84 (Wiesbaden 1989); M. Austermann, Haarschmuck, Nähnadeln und Maultrommeln - Funde vom spätmittelalterlichen Jahrmarkt am Kloster Arnsburg in der Wetterau. Germania 77,1 (1999) 307 – 319.

Abbildungen: Freundeskreis Kloster Arnsburg; S. Dornbusch; LfD Hessen, Abt. Archäologie (aus Arch. Denkm. Hessen 84, 1989); D. Thormählen-Roth, K.-H. Frühling und M. Austermann (3), IAL Büdingen; A. Schönhof (4), WMfA Münster; D. Wolf (aus Geschichte und Kultur in Wetterau und Vogelsberg 8, 2001).

Verfasser dieser Seite: Mathias Austermann